26.05.2014

Heimisches Handwerk bietet dem Nachwuchs "Karriere statt Stillstand"


Der wiedergewählte Obermeister Michael Ochs bedankt sich bei Verena Kurth (Handwerkskammer Südwestfalen)

Olpe/Siegen. Wenn's im Studium nicht so recht klappen will, ist das kein Grund, zu resignieren. Es gibt viele Wege in ein erfolgreiches Berufsleben, und längst nicht jeder führt über die Universität. Dass Studienabbrecher sich im Handwerk wohlfühlen und schnell auf Erfolgskurs gehen können, weil ihnen die praktische Arbeit besser liegt als Theorie, das erklärte Verena Kurth von der Handwerkskammer Südwestfalen vor der Innung für Informationstechnik. Zu deren Versammlung begrüßte Obermeister Michael Ochs zahlreiche Mitglieder.

„Es ist ja nicht so, dass Abiturienten automatisch zwei linke  Hände haben“, sagte die Expertin der Handwerkskammer Südwestfalen. Es gelte angesichts des Fachkräftemangels, auch diese Potenziale zu nutzen und sich um solche jungen Menschen zu bemühen, die nach einigen Semestern an der Uni oder an der Fachhochschule feststellen, dass dieser Weg für sie doch nicht unbedingt der geeignete ist. Vor allem in den „MINT“-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, ist die Abbrecherquote recht hoch. „Im Studienfach Mathematik sind es 55 Prozent.“

 Ein großer Teil dieser Studienabbrecher will sich beruflich neu orientieren. Das bietet Handwerksbetrieben Möglichkeiten, engagierte Auszubildende einzustellen. Denn die landläufigen Vorurteile über Studienabbrecher, beispielsweise, dass sie zu anspruchsvoll, zu frustriert seien, träfen regelmäßig nicht zu, sagt Verena Kurth. Und dass sie älter sind als andere, sei oft sogar von Vorteil: „Sie sind reifer und reicher an Lebenserfahrung – das ist ja nicht unbedingt schlecht. Sie haben eine Krise überwunden. Sie sehen, dass sie sich überschätzt haben. So wissen sie nun genauer, was sie nicht wollen. Und Hirn zu haben schließt Geschicklichkeit nicht aus.“

Einige Betrieb haben sehr gute Erfahrungen mit jungen Menschen gemacht, die sich während ihres Studiums neu orientierten. Gregor Kölsch, Ausbildungsleiter bei der Siegener Firma Hees Bürowelt GmbH sowie Lehrlingswart der Innung für Informationstechnik, sieht in ihnen eine Bereicherung für den Betrieb. „Wir haben damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Diese jungen Menschen haben in der Firma einen guten Ruf, es sind Leute, die durchaus Gas geben. Sie sind motiviert. Die Handwerksausbildung ist ja eine der letzten Chancen, die sie haben. Und das sehen sie auch ein.“

Anderseits muss aber auch der Betrieb einige Regeln beachten, um die Studienabbrecher für sich zu gewinnen und zu halten. „Viele dieser jungen Menschen denken sich: Ich möchte endlich heraus und etwas Praktisches tun“, sagt Verena Kurth. „Wenn die dann zum Beispiel im Praktikum nicht ernsthaft gefordert werden, dann sind sie schnell wieder weg. Praktische Arbeit und Niveau – das ist eine Aufgabe, die Sie als Betrieb durchgehend leisten müssen.“ Auch brauchten die Studienabbrecher viel Information. „Motto: Karriere statt Stillstand. Der muss wissen, dass nicht alles vorbei ist. Es geht darum, ihm Chancen aufzuzeigen und ihm klarzumachen, dass der Meister gleichwertig mit dem Bachelor ist.“ Zu den Chancen, die sich dem Wechsler bieten sollten, gehören außerdem Zusatzqualifikationen. „Ihnen als Betriebsinhaber eröffnen solche zusätzlichen Qualifikationen die Möglichkeit, neue Geschäftszweige zu eröffnen.“ Nicht zuletzt könne dem Auszubildenden auch die Möglichkeit aufgezeigt werden, berufsbegleitend zu studieren.

Um „Studienmüde“ auf die Chancen, die das Handwerk bietet, aufmerksam zu machen, eigne sich das Internet mit seinen sozialen Netzwerken. Die Agentur für Arbeit ist eine wichtige Adresse. Und nicht zuletzt zählt der gute Ruf einer Ausbildungsstätte. Geschäftsführer Jürgen Haßler: „Wir pflegen eine gute Zusammenarbeit mit der heimischen Arbeitsagentur, und wir haben eine gute Mund-zu-Mund-Propaganda.“

In seinem Vortrag zum Thema „PflegeBahr“ legte Andreas Bona von der hiesigen SIGNAL IDUNA Gruppe Siegen den Innungsmitgliedern eindrücklich dar, dass die normale Pflegeversicherung oftmals nicht ausreichen wird, um im Fall der Fälle die Kosten zu decken. Bona:  „Wenn Oma ins Heim kommt, dann kann das für die ganze Familie richtig teuer werden.“ Die vom ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr initiierte Zusatzversicherung könne dagegen Kosten auffangen und sei mit einem Mindestbeitrag von 15 Euro im Monat einschließlich der fünf Euro Staatszuschuss „unschlagbar günstig“.

In den turnusmäßig anstehenden Neuwahlen wurde Michael Ochs, Kreuztal einstimmig in seinem Amt als Obermeister bestätigt. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder erhielten von der Versammlung erneut das Vertrauen. Der Vorstand komplettiert sich mit stv. Obermeister Ralf Weber, Lennestadt, Lehrlingswart Gregor Kölsch, Wilnsdorf, Detlef Springob, Attendorn, Reinhard Middel, Olpe. Neu in den Vorstand wurde Marcus Eling, Siegen, gewählt. Beratend steht dem Vorstand Klaus Eling zur Seite.




Text und Fotos: Klaus Peter Eilert, Mediaservice Südwestfalen