01.12.2014
Kritische Distanz des Handwerks zur geplanten Umweltzone Siegen
Siegen. Für Verunsicherung und Ärger sorgt die demnächst in Kraft tretende Siegener Umweltzone nun auch bei den Handwerkern der Region. Sie befürchten erhebliche Nachteile, bis hin zu enormen wirtschaftlichen Schäden für einzelne, besonders betroffene Betriebe. Dies ist das Fazit nach einer mehrstündigen Informationsveranstaltung, zu der die Verwaltung der Stadt Siegen und die Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd die Handwerksbetriebe in das Geisweider Rathaus eingeladen hatte. Siegens Stadtbaurat Michael Stojan stellte, gemeinsam mit weiteren Mitarbeitern der Stadtverwaltung, das Konzept in seinen wesentlichen Zügen und Auswirkungen vor.
Der „Luftreinhalteplan Siegen 2014“ der Bezirksregierung sieht ab dem 1. Januar des nächsten Jahres eine Umweltzone für Teile der Siegener Innenstadt vor. Dort dürfen dann nur noch Fahrzeuge mit einer grünen Plakette fahren – eine Planung, „die uns nicht unbedingt freudig stimmt“, leitete der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Jürgen Haßler, die Gesprächsrunde ein. Es frage sich nicht nur, ob ein Luftreinhalteplan in einem der waldreichsten Gebiete Deutschlands richtig angelegt sei, zumal in der Verordnung zahlreiche Ausnahmen vorgesehen sind. „Bringt das dann überhaupt etwas? Ich habe dazu eine kritische Distanz.“ Jürgen Haßler wies auch darauf hin, dass die Umweltzone sich für einzelne Betriebe durchaus problematisch auswirken könne: „Es gibt Kollegen, die einen Nutzfahrzeugbetrieb mitten in Siegen haben.“ Solche Betriebe könnten nach der nun vorgesehenen Regelung von Kunden mit älteren Fahrzeugen nicht mehr angefahren werden. Andere Betriebe wiederum müssen zunächst Ausnahmeanträge stellen, um mit ihren Fahrzeugen zu Siegener Kunden fahren zu können – schließlich kann nicht jeder sofort seinen Fuhrpark modernisieren. Haßler: „Da kommen einem doch arge Zweifel.“ Allerdings sei einzusehen, dass auch der Stadt Siegen letztlich die Bezirksregierung und das EU-Recht „im Nacken“ sitzen. Stadtbaurat Michael Stojan bestätigte diese Einschätzung: „Dieses ganze Verfahren beruht auf EU-Gesetzgebung. Wir als Stadt haben letztlich nur die unangenehme Aufgabe, Erfüllungsgehilfe zu sein.“ Dr. Bernhard Kraft, Leiter der Siegener Umweltabteilung, erläuterte die rechtlichen Grundlagen in Form der Europäischen Luftreinhalterichtlinie. Nachdem 2009 in der Sandstraße der Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten wurde, habe die Bezirksregierung bereits damals einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Weil die darin verordnete Sperrung eines Abschnitts der Sandstraße für Lkw nicht den gewünschten Erfolg brachte, wurde eine Überarbeitung des Luftreinhalteplanes mit der Einrichtung einer Umweltzone erforderlich. Dass die Stadt Siegen die Herausnahme der Bereiche um den Weidenauer Bahnhof und den Zentralen Omnibus-Bahnhof (ZOB) in Siegen aus dem Geltungsbereich der Umweltzone anstrebt, um dort den Busverkehr mit älteren Fahrzeugen zu ermöglichen, konnte die Sorgen der Zuhörer nicht dämpfen. Und auch Michael Dinter von der Straßenverkehrsbehörde vermochte keine größeren Hoffnungen wecken, als er die möglichen Ausnahmen und Übergangsregelungen vortrug. Doch diese Möglichkeiten sind eng begrenzt. Ermessensspielräume gibt es keine, sodass ein Handwerker angesichts der scharfen Vorschriften schließlich besonders deutlich wurde: „Die grüne Plakette ist daran Schuld, wenn unser Betrieb demnächst dichtmachen muss". Ein anderer ergänzte: „Wenn das alles wahr wird, dann können sich gleich eine ganze Reihe Leute beim Arbeitsamt anmelden". Diese Sorgen wiegen für die Handwerker umso schwerer, als der Nutzen der gesamten Maßnahme für viele in Frage steht. So wies ein Handwerksmeister auf die dann notwendigen erheblichen Umwege hin, die zu einem höheren Spritverbrauch und Schadstoffausstoß führen würden. Stadtbaurat Stojan stimmte dem Argument insofern zu, als „die Abwicklung gerade in Siegen wegen der Topographie besonders kompliziert“ sei. Auch weil der in der Umweltzone verbotene Verkehr auf die gleich daneben führende Hüttentalstraße ausweichen darf, erschloss sich den Zuhörern der Sinn der Gesamtmaßnahme nicht. „Und warum werden Busse zunächst ausgenommen?“, fragte ein weiterer Handwerksmeister. „Das sind doch die Hauptverursacher!“ Auch die Busunternehmen, entgegnete Michael Stojan, müssten ihren Fuhrpark demnächst modernisieren, auch für sie gelten Übergangsvorschriften. Doch letztlich wirkten die Informationen und Aussichten, die die Siegener Stadtverwaltung anbieten konnte, auf die Handwerker ganz offensichtlich wenig überzeugend. Jürgen Haßler: „Wir werden uns trotzdem alle nach Kräften bemühen, das Bestmögliche zu erreichen.“
Im zweiten Part der Veranstaltung informierte Stadtbaurat Michael Stojan die anwesenden Handwerker ausführlich über die seit April 2014 in Kraft getretenen Gestaltungssatzung für die Siegener Innenstadt die seitdem bei den baurechtlichen Genehmigungen Anwendung findet. Die Satzung sei ein wichtiger Baustein der Stadtbildoffensive, um die Attraktivität der Innenstadt nachhaltig zu verbessern. Michael Stojan: „Die Stärkung der Indentifizierung der einzelnen Nutzergruppen, z. B. der Bewohner, Ladenbetreiber, Eigentümer usw., mit der Siegener Innenstadt ist daher oberstes Anliegen der Gestaltungssatzung sowie der begleitenden Maßnahmen. Durch die Bauvorschrift würden drei Teilziele angestrebt: 1. Erhalt und Förderung historischer Bezüge; 2. Betonung von prägenden Gestaltungsmerkmalen
(u. a. die hellen Putzfassaden an den schlichten Gebäudefronten im Kontrast zu dunklen Schieferdächern);
3. Reduzierung von störenden Einflüssen
(eine Flut von bunten Werbeanlagen und immer mehr private Müllbehältnisse im öffentlichen Raum stören u. a das Stadtbild und bedürfen der Regelung des Einzelfalles)“.